Producerin Valentina Huber spricht im Interview mit Bent Evers über ihre Ausbildung, den Arbeitsalltag als Producerin und über die Filmbranche.

Valentina Huber, geboren 1993, studierte Medien und Kommunikation und startete über Praktika in der Produktion und bei einem Filmverleih in die Filmbranche. Absolvierte anschließend ein Volontariat der Produzentenallianz für audiovisuelle Produktion und arbeitete als Junior Producerin für eine Münchener Produktionsfirma. Absolviert aktuell das Atelier-Programm der Filmakademie in Ludwigsburg und La Fémis in Paris. Übernimmt als Producerin inhaltliche und organisatorische Aufgaben der Produzent:innen.

Valentina, wie bist du nach dem Abi in deine Karriere gestartet?

Ich habe erstmal das obligatorische Work and Travel in Australien gemacht. Zu meiner Verteidigung, damals war es noch nicht so ein Riesending. (lacht) Danach wusste ich immer noch nicht, was ich machen will. Sprachen lagen mir, aber ich wollte mich auch nicht ganz auf irgendetwas festlegen, deshalb ich als Zwischenlösung die Ausbildung zur staatlich geprüften Fremdsprachenkorrespondentin gemacht, auch weil man die auf ein Jahr verkürzen konnte. Nach einem Jahr war aber auch klar: Das wird am Ende des Tages nicht mein Beruf sein. Ich habe mich dann für den Studiengang Medien- und Kommunikation an der Uni Passau beworben.

Wie war der Theorie- und Praxisanteil im Studium?

Es war relativ praktisch. Es gibt zwei Semester Grundstudium, in dem man alle kommunikationswissenschaftlichen Dinge durchkaut, Medienpsychologie, PR, all diese Dinge. Danach konnte man sich spezialisieren, ich habe viel Fernsehjournalismus und viel Film gemacht. Wir hatten ein riesiges Zentrum für Medien und Kommunikation an der Uni, das war relativ teuer ausgestattet, mit Fernsehstudio, Tonstudios und Schneideräumen. In den Seminaren hatten wir die Aufgabe Medienprodukte herzustellen. Am Ende des Tages hat man einen Film, einen Podcast, eine Zeitschrift, eine Website oder Ähnliches abgegeben.

Hattest du zu Beginn des Studiums eine konkrete Vorstellung, was du nach dem Studium damit machen willst?

Gar nicht. Vor allem nicht, dass ich zum Film will. (lacht) Ich dachte eher an eine journalistische Richtung und während des Studiums eher in Richtung Pädagogik. Deswegen war dann auch die Produktionsfirma Lieblingsfilm die erste Firma, bei der ich gelandet bin, weil die mit der Kinderfilmproduktion beides verbunden haben.

Wie kam das Praktikum bei Lieblingsfilm zustande?

Ich glaube, ich habe mich über Crew United beworben. Da ging es um ein dreimonatiges Produktionspraktikum im Haupthaus, also nicht am Set.

Was waren deine Aufgaben im Praktikum?

Ich habe schon auch Lektorate geschrieben, Stoffe gelesen und meine Meinung dazu den anderen unter die Nase gerieben. Und ich habe auch Postproduktionskoordination gemacht, so viel es halt geht in drei Monaten. Aber auch diese klassischen Produktionsassistenzsachen, zum Beispiel die Reiseplanung.

Wie ging es nach dem Praktikum weiter?

Mit einem nächsten Praktikum, wie man es so macht beim Film. (lacht) Ich bin zur Tobis nach Berlin und habe ein Praktikum beim Verleih im internationalen Einkauf gemacht. Das war auch superspannend, das war quasi die andere Seite der Medaille. Die Seite, der man später mal als Produktion Filme verkaufen möchte. Danach hat die Lieblingsfilm mich gefragt, ob ich bei ihnen das Volontariatsprogramm der Produzentenallianz machen möchte. Die bietet quasi eine zentrale Ausbildung an, speziell auf Produktion ausgerichtet. Das dauert zwei Jahre, man kann es aber auch auf eineinhalb Jahre verkürzen.

Lass uns kurz bei deiner Arbeit für den Filmverleiher bleiben, für die du ja nach wie vor Lektorate schreibst. Wie funktionieren diese Lektorate genau?

Sagen wir mal es geht um einen Film aus England. Dann gibt es die englische Produktion, die diesen Filmen machen will. Die hat das Drehbuch und in der Regel einen Weltvertrieb, der die Filmrechte ins Ausland verkauft. Der Weltvertrieb trifft sich mit dem Verleih-Einkäufer:innen und überlegt dann, wie man dieses Projekt verkaufen kann. Da gibt es oft Packages, meistens das Drehbuch, die Regie, den Cast, oft auch das Budget, damit man sich einen Eindruck machen kann. Der Verleih schickt das weiter an uns Lektor:innen und wir schicken unsere Einschätzung zurück. Wenn sie aufgrund des Lektorats merken, dass das spannend ist, lesen sie es natürlich selbst auch nochmal. Das Lektorat ist die erste Einschätzung, die sie bekommen.

Wie sieht so ein Lektorat aus?

Es sind meistens so 67 Seiten, die man schreibt. Eigentlich wie eine Filmanalyse. Macht die Handlung Sinn, sind die Figuren stimmig, welche Entwicklung machen die durch, passieren Dinge, die dramaturgisch nicht in die Handlung passen? Und man macht eine Marktanalyse: welche Zielgruppe interessiert sich dafür, wie erfolgreich waren Vergleichsfilme, was gibt es für ähnliche Projekte? Und am Ende kommt man hoffentlich auf ein Ergebnis, ob man den Film einkaufen sollte oder nicht.

Um auf das Volontariat zurückzukommen: Da ist man fest in einer Firma und es gibt parallele theoretische Elemente?

Genau, man arbeitet bei der Firma und hat 30 Tage im Kurs, immer in Blöcken zu verschiedenen Themen, mit allen anderen Volontär:innen aus der Stadt. Das sind nicht nur Leute, die aus dem klassischen Film kommen, von 30 Leuten waren 20 eher aus dem Entertainment- oder Fernsehbereich. Deswegen war das inhaltlich nicht immer passend für mich, weil es viel um diese Welt ging, die für mich irrelevant war. In der Theorie geht das Volontariat alle Produktionsschritte durch, von der Entwicklung bis zur Veröffentlichung. Viele Sachen habe ich am Ende des Tages nicht gebraucht und viele Sachen, die ich gerne gelernt hätte, habe ich nicht gelernt. Was ich mitgenommen habe, ist ein ganz gutes Netzwerk aus den Leuten. Aber inhaltlich kann man das machen, ich hätte es mir aber auch sparen können.

Du warst nach dem Volontariat als Junior Producerin bei der Produktionsfirma festangestellt, hast allerdings ca. ein Jahr später gekündigt, um die Weiterbildung «Atelier Ludwigsburg-Paris» zu absolvieren – warum?

Was ich gemerkt habe: Es ist nicht verkehrt, das Label Filmuni und das Netzwerk einer Filmuni zu haben. Gerade das Netzwerk hilft, weil man Leute kennenlernt, die man danach beruflich auf dem kürzeren Dienstweg erreichen kann. Für das Label, dass ich an einer Filmuni war, wollte ich aber nicht nochmal fünf Jahre auf Diplom studieren, darauf hatte ich ehrlich gesagt keine Lust. (lacht) Ich hatte auch Lust nochmal etwas zu lernen und da hat sich das einjährige Programm gut angeboten. Ich habe mich relativ spontan beworben, wenn es nicht geklappt hätte, hatte ich ja einen festen Job.

Worum geht es beim Atelier-Programm inhaltlich?

Es ist wie ein kurzes Produktionsstudium mit besonderem Blick auf internationale Koproduktionen. Es ist das Partnerprogramm der Filmakademie Ludwigsburg und der Filmuni La Fémis in Paris. Man kann sich an beiden Unis bewerben, jeweils die Hälfte der Teilnehmenden kommt von jeder Uni. Dadurch ist die Gruppe sehr international, was total interessant ist, wir haben eine Spanierin, eine Libanesin, eine Bulgarin und einen Teilnehmer aus Uruguay. Inhaltlich ist es chronologisch nach Produktionsschritten aufgebaut. Das Besondere ist, dass alle Lehrenden aus der Praxis kommen, da ist keiner fest an der Uni angestellt.

Ist das eher theoretisch oder gibt es einen Praxisanteil?

Der Unterricht besteht viel aus Case Studies, also bestimmten Projekte, die man anhand verschiedener Kriterien aufdröselt. Das nächste Projekt ist eine Serie, bei der es um die Finanzierung und Kalkulation geht. Am Ende wird ein Abschlussfilm produziert, entweder in Ludwigsburg oder in Paris, in Zusammenarbeit mit dem SWR und arte. Das wird gemeinsam mit Drehbuchstudierenden und Regiestudierenden der jeweiligen Unis entwickelt und umgesetzt.

Wie ist insgesamt der Anteil von Kreativität und Handwerk bei der Arbeit als Producerin?

Es gibt Phasen, in denen man nur Organisatorisches macht, es gibt die Phase, in der man ein Projekt in Postproduktion* hat und Tage damit verbringt, die Nachsynchronisierung und ähnliches zu organisieren. Aber es gibt auch die Zeit, in der man einfach Projekte entwickelt und mit einem oder einer Autor:in zusammensitzt und über Stoffe spricht. Es hält sie die Waage.

Wie groß ist dein persönlicher Anteil an einem Film?

Wenn wir über mein letztes Projekt sprechen: Da war ich ab der ersten Drehbuchfassung beteiligt, habe viel mit der Autorin am Drehbuch gearbeitet, habe die Pitches für die Redaktion erstellt und die ganze Vor-Organisation wie die Teamsuche begleitet. Bei dem Projekt war ich auch die ganze Zeit vor Ort und habe die Koordination übernommen. Nach dem Dreh habe ich auch die Postproduktion koordiniert. Ich hing da schon intensiv mit drin – aber andere Leute ja auch.

Gibt es einen Aspekt der Arbeit, der dir am meisten gefällt?

Die Drehbucharbeit. Über Geschichten zu sprechen, über Figuren zu sprechen. Gar nicht, um so intensiv im Thema zu sein wie ein:e Autor:in, aber die Sparringspartnerin von einem oder einer Autor:in zu sein, das mache ich am liebsten.

Macht es für dich einen Unterschied, ob es um einen Kinofilm oder einen Fernsehfilm geht?

Eigentlich nicht. Ich bin großer Fan des Kinos und freue mich, wenn ich Kinofilme machen kann und darf. Es gibt aber auch tolle Fernsehprojekte. Solange die Geschichte mich berührt und mir gefällt ist das Format erstmal zweitrangig.

Gerade junge Leute sagen meiner Erfahrung nach nicht selten: «Deutscher Film ist grundsätzlich schlecht». Was entgegnest du da?

Ich verweise gerade gerne auf Futur Drei vom Kollektiv «Jünglinge», die haben zu dritt im Kollektiv mit einem niedrigen Budget diesen Film produziert. Das ist ein ganz toller Film, eine tolle Geschichte, sehr aktuell und relevant, ohne Fingerzeig. Dieses Projekt ist ein gutes Beispiel dafür, wo es hingehen kann. Das ist bisher eher eine Randerscheinung, aber ich glaube, es werden mehr Produktionen auftauchen, die so arbeiten und solche Projekte machen. Und dann wird es hoffentlich irgendwann auch mehr Gelder für solche Projekte geben.

Wie wichtig ist es dir persönlich, dass du Projekte umsetzt, von denen du inhaltlich begeistert bist?

Ich möchte schon Projekte machen, hinter denen ich inhaltlich stehen kann und die eine gewisse Relevanz haben. Ich möchte den Anspruch an mich selbst haben, sagen zu können, dass es Sinn ergibt diesen Film zu machen.

Hattest du irgendwann mal den Gedanken, dass die Arbeit am Set reizvoller ist als die im Büro?

Jein. Ich finde die Abwechslung ganz gut. Diese zwei Projekte, die ich als Koordination gemacht habe, waren cool, aber intensiv. Mein ganzes Leben am Set verbringen? Schwierig. (lacht) Ich glaube, das ist schwer zu vereinen mit dem Privatleben. Das ist ein belastender Job. Gerade wenn man nicht in seiner Heimatstadt dreht, sondern auf einer Reiseproduktion ist, finde ich das schwierig. Aber Spaß macht es trotzdem. Für eine gewisse Zeit. (lacht)

Wie sind aus deiner Perspektive die Arbeitsbedingungen in der Branche?

Unterschiedlich. Als Producerin gehöre ich nicht gerade zu den Großverdiener:innen, habe aber ziemlich geregelte Arbeitszeiten. Jobs am Set sind natürlich häufig mit einem großen körperlichen und zeitlichen Einsatz verbunden. Ich habe das Gefühl, dass sich die Branche dahingehend aber in den letzten Jahren in die richtige Richtung bewegt. Familienfreundliches Drehen wird immer mehr zum Thema und es gibt Ansätze wie eine Vier-Tage-Woche. Es ist auch toll, dass inzwischen immer mehr Frauen in verschiedensten Positionen in der Filmbranche arbeiten und das gefördert wird. Auch wenn immer mehr Gremien paritätisch besetzt werden, wünsche ich mir noch viel mehr Frauen in entscheidenden Positionen der Branche. Auch in technischen Berufen sind weibliche Personen oft noch sehr in der Unterzahl. Ich als junge Frau habe schon die Erfahrung gemacht, dass es nicht immer leicht ist, sich Gehör in der Filmbranche zu verschaffen.

Gibt es dazu einen Austausch mit anderen Producer:innen?

Privat auf jeden Fall. Und auch gerade hier im Atelier-Programm gibt es viel Austausch über solche Themen, auch auf einer filmpolitischen Ebene. Von den zwölf Personen hier sind neun Frauen. Und ich glaube, dass das Bewusstsein gerade bei jungen Produktionsstudierenden auf jeden Fall da ist. Ich glaube, sobald diese Generation ein bisschen nachrückt, wird sich da hoffentlich noch einmal einiges tun. Wir werden sehen.

Wie soll es nach dem Atelier-Programm für dich weitergehen?

Ich weiß, dass ich im Produktionsbereich arbeiten will. Und das Atelier hat in mir definitiv die Lust an internationalen Ko-Produktionen geweckt. Aber wo es genau hingeht, weiß ich nicht. Ich könnte mir vorstellen wieder bei einer Produktionsfirma zu arbeiten. Ich könnte mir auch vorstellen irgendwann vielleicht eine eigene Produktionsfirma zu gründen.1

Würdest du jemandem, der oder die Producer:in werden möchte, deinen Weg weiterempfehlen?

Ich glaube, im Nachhinein hätte ich mich bei einer Filmuni beworben, um ehrlich zu sein. Ich hätte mich einfach mal bewerben sollen, ich glaube, das ist schon der einfachere Weg für die Karriere. Aber so habe ich verschiedene Sachen gelernt und erlebt, davon kann ich auch zehren. Ich finde auch Set-Erfahrung wichtig, damit man, wenn man in einem Produktionsbüro sitzt, auch den Bezug zum Set hat und die Abläufe kennt. Es ist wichtig zu wissen, welche Konsequenzen es für viele Leute am Set hat, wenn ich im Büro eine bestimmte Entscheidung treffe.

Danke, Valentina!

Das Gespräch führte Bent Evers.

1 Nach dem Atelier-Programm hat Valentina ein Jobangebot als angestellte Producerin bei einer Produktionsfirma in München angenommen.

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